Die Kunst der Anpassung

Steirische KünstlerInnen im Nationalsozialismus

In der 2001 gezeigten Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit. Widerstand, Verfolgung und Exil steirischer Künstlerinnen und Künstler 1933 – 1945“ wurde schlagartig bewusst gemacht, welche vernichtenden Auswirkungen die Kunstpolitik auf die fortschrittliche und kritische, aus NS-Sicht „entartete“ Künstlerschaft hatte. In der letztjährigen Ausstellung „unsichtbar. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Steiermark“ wurde das konkrete Funktionieren des Nationalsozialismus innerhalb enger Handlungsspielräume nachgezeichnet.
In der Ausstellung „Die Kunst der Anpassung“ sollen die Verhaltensweisen jener Künstler nachgezeichnet werden, die sich nach dem „Anschluss“ 1938 auf die Seite der Nationalsozialisten gestellt haben beziehungsweise die jahrelang selbst treibende Kräfte der NS-Bewegung in der Steiermark waren.
Die Ausstellung zeigt neben Arbeiten, die auf eine „innere Emigration“ schließen lassen können, auch eindeutig programmatische Werke derselben Künstler: martialisch-pathetischen Heroenkult wie explizit nationalsozialistische Propaganda. Sie belegt auf Basis des aktuellsten Forschungsstandes mit vielen Dokumenten der Unterwerfung die intensive Kollaboration vieler steirischer Künstler und Kunstorganisationen mit den Nationalsozialisten. Und sie macht auch erschreckend deutlich, wie die Integration der eben noch führertreuen Künstler in das steirische Kunstgeschehen der Nachkriegsgesellschaft fast bruchlos erfolgte.

Eine Ausstellung des stadtmuseumgraz und der Neuen Galerie am Universalmuseum Joanneum

stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz
16. Juni 2010 bis 31. Dezember 2010
Di-So 10.00 bis 18.00 Uhr


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Zur Ausstellung gibt es ein Rahmenprogramm von CLIO, dem Centrum für Jüdische Studien der Universität Graz und dem stadtmuseumgraz

Kuratorenführungen mit Günther Holler-Schuster

Dienstag, 21. Sep. 2010, 18.00 Uhr
Dienstag, 9. Nov. 2010, 18.00 Uhr


Vorträge

„Ist die Herkunft zweifelsfrei?“
Zur Provenienzforschung am Universalmuseum Joanneum

Ein materieller Nebeneffekt der Verfolgung und Auslöschung jüdischer Bürger durch die Nationalsozialisten war der gesetzlich geregelte Zugriff auf deren Kunstsammlungen. Bei der Beschlagnahmung von Kunstwerken ging man deswegen besonders gezielt und systematisch vor – eine Methode, von der auch öffentliche Museen profitierten, indem sie Objekte hoher Qualität aus „sichergestellten“ jüdischen Sammlungen erwarben. Die Rückerstattung dieser „Raubkunst“ nach 1945 ließ diese Gründlichkeit allerdings vermissen. Erst 1998, als zwei Gemälde von Egon Schiele aus der Wiener Sammlung Leopold in New York als Diebesgut beschlagnahmt wurden, entwickelte sich eine öffentliche Debatte zu diesem Thema und führte zum Beschluss der gesetzlichen Grundlagen für die Rückgabe („Restitution“) fraglicher Erwerbungen während der NS-Zeit.

Dr. Karin Leitner-Ruhe, Dr. Gudrun Danzer und Dr. Monika Binder-Krieglstein
(Kunsthistorikerinnen am Universalmuseum Joanneum)

Dienstag, 16. November, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz



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Die Kunst über die Kunst des Nationalsozialismus


Allein schon von einer „Kunst“ des Nationalsozialismus zu sprechen ist unzulässig, weil diese „Kunst“ jeder Vorstellung von Kunst Hohn spricht. Wovon man schon sprechen und damit die Frage nicht länger verdrängen sollte, ist, wie können wir heute mit den –meist unverhofften – Fundstücken dieser „Unkunst“ umgehen, ja sollen wir das überhaupt? An Hand von konkreten Beispielen wird diese Problematik aufgezeigt werden.

Vortrag und Diskussion mit Univ. Prof. Mag. Richard Kriesche
Dienstag, 30. November, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz


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Handlungsspielräume steirischer KünstlerInnen im Nationalsozialismus


Podiumsdiskussion mit: Otto Hochreiter (Direktor stadtmuseumgraz), Heimo Halbrainer (Historiker, Clio), Günther Holler-Schuster (Kunsthistoriker, Kurator, Neue Galerie – Universalmuseum Joanneum), Herbert Lipsky (Kunsthistoriker, Autor des Buches „Kunst einer dunklen Zeit“)

Dienstag, 7. Dezember, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz

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Roma

zur Geschichte und aktuellen Situation von Europas größter Minderheit


Aus aktuellem Anlass bietet CLIO im Herbstprogramm einen Roma-Programmschwerpunkt, der sich in fünf Vorträgen, einer Filmvorführung sowie einem Podiumsgespräch mit Herkunft und Sprache der Roma, mit Fragen ihrer vielfältigen Bezeichnungen (von „Zigeuner“ bis „Gitanos“), der Geschichte ihrer Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung bis hin zur Frage der Lebenssituation von Romani-Gruppen im heutigen Zentraleuropa befasst.


Von Indien nach Europa: Herkunft und Geschichte der Roma.

Vortrag von Ursula Glaeser

Seit beinahe einem Jahrtausend leben Roma in Europa, mitten unter uns und doch nicht mit uns. Nach wie vor als Fremde wahrgenommen werden 8 - 12 Millionen Roma ungeachtet ihrer kulturellen, sozialen und sprachlichen Heterogenität unter dem Begriff „Zigeuner“ subsumiert. Das Wissen über Roma nährt sich aus althergebrachten Vorurteilen und medial gesteuerter Meinungsbildung. Wer aber sind „die Roma“, und woher kommen sie?

Ursula Glaeser ist Sprachwissenschafterin, sozialpädagogische Betreuerin und Trainerin.

Mittwoch, 13. Oktober 2010, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz


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„Juden, Zigeunern und Hunden ist der Eintritt verboten“.

Die Kriminalisierung und Verfolgung von österreichischen „Zigeunern“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Vortrag von Ursula Mindler


Der Vortrag veranschaulicht am Fallbeispiel der österreichischen „Zigeuner“, wie Randgruppen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfolgt und kriminalisiert wurden, bis hin zu ihrer Vernichtung während der NS-Zeit. Bei den Verfolgungsmaßnahmen handelte es sich nicht um eine reine Befehlsausführung „von oben nach unten“ –  ihre „erfolgreichen“ Umsetzungen wurden erst durch das konzertierte Agieren der Funktionäre auf allen Ebenen gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung möglich.

Ursula Mindler ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Graz.

Mittwoch, 27. Oktober 2010, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz


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„Einfach weg!“ –

Zur Geschichte der Verfolgung und Vernichtung der burgenländischen „Zigeuner“

Vortrag von Gerhard Baumgartner


Vor 1938 lebten im Burgenland rund 9.000 “als Zigeuner” diskriminierte und verfolgte Personen – 90 Prozent von ihnen fielen der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik zum Opfer. Ihre Siedlungen wurden geschliffen und abgerissen, die Überlebenden erhielten für ihre zerstörten Häuser so gut wie keine Entschädigungen. Nach 1945 waren die Überlebenden einer ähnlichen “Diskriminierung” ausgesetzt wie schon vor 1938. Der Vortrag behandelt die Geschichte der burgenländischen Roma und der Romasiedlungen, die Genese der sozialen und ökonomischen Konflikte der Zwischenkriegszeit und die Folgen der nationalsozialistischen Verfolgungen und Deportationen. Grundlage dafür sind die zahlreichen Daten und neuen Ergebnisse aus einem mehrjährigen Forschungsprojekt, der “Namentlichen Erfassung der Holocaustopfer unter den österreichischen Roma und Sinti”.

Gerhard Baumgartner ist Historiker und lehrt derzeit an der FH Joanneum.

Mittwoch, 17. November 2010, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz

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Roma und Romani in Österreich

Vortrag von Barbara Schrammel


Die österreichischen Roma und das „österreichische Romani“ können als paradigmatisch für die soziale und linguistische Situation der Roma in der sogenannten westlichen Wohlstandsgesellschaft gesehen werden. Wie in vielen mittel- und westeuropäische Staaten setzt sich auch die österreichische Romabevölkerung aus mehreren Gruppen zusammen. Diese unterscheiden sich sowohl bezüglich ihres soziopolitischen Status als auch bezüglich ihres jeweiligen soziokulturellen und soziohistorischen Hintergrunds. Daraus ergibt sich wiederum die dialektale und soziolinguistische Varianz.
Der Vortrag gibt einen Überblick über die in Österreich ansässigen Romagruppen und die in Österreich gesprochenen Romani-Varietäten. Dabei wird vor allem auf die Besonderheiten der einzelnen Varietäten sowie auf Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen diesen Romani-Varietäten eingegangen.
Barbara Schrammel ist Sprachwissenschafterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Graz.

Mittwoch, 1. Dezember 2010, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz

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Ein Leben nach dem Rassismus? Bilder und Lebenssituationen von Romani-Gruppen in Zentraleuropa

Vortrag von Stefan Benedik und Barbara Tiefenbacher


Brandanschläge, Mordattacken und die Aufrüstung paramilitärischer Gruppen haben die mediale Öffentlichkeit in den letzten beiden Jahren wachgerüttelt und für die Situation der in Zentraleuropa lebenden Roma und Romnija sensibilisiert. Rassistische Gewaltakte mit Verletzten und sogar Toten waren nicht nur in Ungarn, sondern auch in vielen anderen Staaten Zentraleuropas geschehen, daneben gehört rassistische Diskriminierung vielerorts zum Alltag. Der Vortrag wird jedoch auch die Frage aufwerfen, inwieweit die „westliche“ Darstellung von Romani-Gruppen im „Osten“ nicht auf „Ghettotourismus“ und „Elendsfotografie“ angewiesen ist. Dabei ist zu beachten, dass von einer einheitlichen Romani-Minderheit nicht die Rede sein kann.

Der Historiker Stefan Benedik und die Soziolinguistin Barbara Tiefenbacher  sind wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Graz.

Mittwoch, 15. Dezember 2010, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz


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„Natasha“. Ein Film von Ulli Gladik

Dokumentarfilm mit Diskussion


Der Film „Natasha“ zeigt den Alltag von Natasha, die mehrmals jährlich von Bulgarien nach Österreich fährt, um zu betteln und somit ihre Familie zu ernähren. Im Zeitraum von fast zwei Jahren wurde Natasha dabei von der Regisseurin und Kamerafrau Ulli Gladik begleitet. Ulli Gladik: „BettlerInnen erzeugen Scham und machen Angst. Man will sie nicht sehen, weicht aus und hat alle möglichen Vorurteile. BettlerInnen sind die Unberührbaren unserer Gesellschaft. Mit dem Film wollte ich einen Menschen aus dieser Anonymität herausholen und zeigen, wer das ist - quasi dessen Berührbarkeit vermitteln - und ich danke Natasha für ihre Geduld und Bereitschaft den Film möglich zu machen.“

Der Film dauert ca. 84 Minuten und ist in bulgarischer Sprache mit deutschen / englischen Untertiteln. Anschließend besteht die Möglichkeit einer Diskussion mit der Regisseurin.

Ulli Gladik ist seit 2003 freiberuflich als Künstlerin, Fotografin und Filmemacherin tätig.

Mittwoch, 19. Jänner 2011, 19.00 Uhr
stadtmuseumgraz / Sackstraße 18 / 8010 Graz

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