Zum 110. Geburtstag von Erich Herbert Schneider (1900-1989)

Zwei CLIO Bücher erinnern an einen vergessenen Autor


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Erich Herbert Schneider, Erbauungsbuch für den deutschen Spießer. Hg. u. mit einem Nachwort v. Gerhard Fuchs, 180 Seiten gebunden, Graz 2008, ISBN: 978-3-902542-07-6

Euro 18,00

Erich Herbert Schneider, Gedichte aus dem Paulustor. Herausgegeben und eingeleitet v. Heimo Halbrainer und Christian Teissl, 96 Seiten gebunden, Graz 2008, ISBN 978-3-902542-08-3,

Euro 16,00

CLIO hat die beiden Bücher mit Einleitungen von Gerhard Fuchs bzw. Christian Teissl und biographischen Skizzen von Heimo Halbrainer und Karin Gradwohl-Schlacher neu herausgegeben.

„Ich habe bei dem sächsischen Feldartillerie-Regiment Nr. 12 gedient und wurde in Dresden geboren. Mein Vater hat mir immer prophezeit, dass aus mir nichts wird. Ich werde mit der Erfüllung dieser Prophezeiung nur die Familientradition wahren. Die Absicht zu heiraten habe ich auch nicht, aber ich bin von Natur nicht charakterfest, sodass dieser Zusicherung kein unbedingtes Vertrauen zu schenken ist. Außer schriftstellerisch betätige ich mich auch in bildenden Künsten: ich koche und fotografiere, wie meine Freunde behaupten, besser, als ich schreibe. Ich habe blaue Augen, wiege 69 Kilo und mein Haar war früher blond. Meine Prinzipien: ich trage nur einfarbige Krawatten, achte jedes Menschen Meinung, der auch die meine achtet, und behaupte, dass ein guter Wein mehr mit Kultur zu tun hat als ein mittelmäßiges Gedicht. Dreimal fünf Jahre meines Lebens verbrachte ich als Kind, weitere fünf Jahre als Schmied, die nächsten als Vagabund und die letzten als Landwirt. Was dazwischen liegt, wurde vertrödelt. Ich habe es weder als Schmied, noch als Vagabund, noch als Landwirt zu etwas gebracht, wie gesagt, das liegt in meiner Familie – jetzt versuche ich es mit diesem Erbauungsbuche. Mein nächstes Werk wird: ‚Die Memoiren meines Katers oder die Grundlagen der Democratie’. Der Kater heißt Mutz und ich liebe ihn leidenschaftlich. Zwischendurch entsteht – stückweise unter Schweiß und Tränen: ‚Die Geburt des Helden’. Das ist alles.“

Der, der sich hier so vorstellt, war der zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes in Thal bei Graz lebende Schriftsteller Erich Herbert Schneider. Schneider wurde am 17. März 1900 in Dresden geboren und kam walzend 1925 nach Wien, wo er Mitarbeiter der in Klagenfurt erscheinenden Alpenländischen Rundschau wurde. In Wien begann er auch Gedichte zu schreiben, die er unter dem Pseudonym Erich Herbertsen als Privatdrucke herausgab. 1931 zog Schneider gemeinsam mit dem Schweizer Schriftsteller Georg Friedrich Walz, den er in den 1920er Jahren kennen gelernt hat, nach Thal bei Graz. Das Anwesen wurde alsbald zu einem Treffpunkt für pazifistisch orientierte Personen aus Graz und Umgebung und machte aus Schneider einen Landwirt, was – wie er in seinem Erbauungsbuch für den deutschen Spießer in satirischer Anspielung auf die Blut- und Boden-Ideologie der Nationalsozialisten – als notwendige Voraussetzung für eine deutsche Dichterkarriere charakterisierte. Dieses 1937 im Wiener Verlag der Buchhandlung Lanyi erschienene Buch, war für ihn aber letztlich nicht der Beginn einer Dichterkarriere, da es am Vorabend der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich erschien, kaum rezipiert und nach dem „Anschluss“ 1938 sofort in die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums aufgenommen wurde. Das Buch führte gemeinsam mit einer Denunziation eines Grazer Mittelschullehrers, der Mitglied der Runde in Thal gewesen war, Mitte Juni 1938 zu Schneiders Verhaftung und Einlieferung in das Gestapo-Gefängnis beim Paulustor. In Haft schrieb Schneider eine Reihe von Gedichten, die teils illegal das Gefängnis verließen. Am Vorweihnachtstag 1938 wurde er entlassen und kehrte nach Thal zurück, wo er  in der Landwirtschaft arbeitete.

Nach der Befreiung erschienen 1946 die in der Haft verfassten Gedichte aus dem Paulustor auf Anregung und mit einem Vorwort von Georges Walz in einem schmalen Band bei Leykam. Nach dem Tod von Walz erbte Schneider das Anwesen, das er 1956 verkaufte als er nach Graz zog. Literarisch hat sich Schneider nach dem Tod von Walz vollständig zurückgezogen. Am 1. September 1989 starb Schneider in Stocking bei Wildon.